5. Etappe 170707, 100 km
Lüdenscheid - Altena - Iserlohn - Unna - Hamm - Beckum
Die Nacht war windig, doch ich schlief gut, wachte aber recht früh auf und drehte mich bis etwa acht Uhr immer noch mal um. Dann begannen im Park hinter der Hecke Mäharbeiten, und ich packte mein Zeug zusammen. So würde ich es denn vielleicht doch bis Beckum schaffen, obwohl ich eigentlich einen ruhigen Tag einlegen wollte.Ich fuhr noch mal schnell in die Stadt, holte mir ein Brötchen zum Frühstück, knipste noch ein bisschen was , und los ging's, einfach die Rahmede entlang. Zwischendurch hätte ich eigentlich kurz abbiegen wollen, aber erst als die Rahmedetalbrücke, die ich bisher immer nur von oben kannte, sich über meinem Kopf erhob, merkte ich, dass ich falsch war. Aber ich fand's nicht so schlimm, ersparte ich mir doch eine Bergüberquerung, und war doch das Rahmedetal sehr schön zu fahren. Die Straße breit und nicht so voll, die Hänge grün, was will man mehr. Kaum, dass ich ein paar Mal getreten hätte, kam ich auch schon in Altena (Westfalen) im Lennetal an. Die Stadt schmiegt sich mit der Burg Holtzbrinck unten und der Burg Altena - der allerersten Jugendherberge - oben ins Tal. Leider hatte ich mich ein Ideechen zu früh zur Rast hingesetzt; wäre ich nur ein Stückchen weitergefahren, wäre ich genau passend zum Erklingen des Glockenspiels "Kein schöner Land" dort gewesen.
Am Busbahnhof verpasste ich mir Sonnenschutz und Linsen, und dann ging's ab. Na ja, besser gesagt ging's auf. Steil. Und auch noch durch falsches Abbiegen einige Höhenmeter umsonst gemacht.
Und danach hab ich weiter viel geschoben. Als ich an einer Serpentine verschnaufte, hielt ein Autofahrer an und wechselte ein paar Worte mit mir. Unter anderem wusste er zu berichten, dass es hier so etwa 16 % Steigung hätte - kein Wunder also, wenn es mich aus dem Sattel gehoben hatte. Auch wusste er zu sagen, dass es nach der nächsten Kurve wieder flacher würde und es insgesamt nur noch etwa ein Kilometer bis oben sei. Die Abfahrt hinterm Wixberg war sehr schön. Oben tauschte ich noch schnell das zum Auswringen nassgeschwitzte Hemd gegen ein trockenes langärmliges aus, da es ohnehin recht frisch war, und dann ging's wirklich ab. Unten auf der im Tal verlaufenden Hauptstraße angekommen wusch ich noch schnell das eben ausgezogene Hemd, welches ohnehin schon vor Dreck starrte, im Grünen Bach ein bisschen aus, und dann rollte ich ohne viel Strampeln weiter nach Iserlohn. Im Stadtteil Obergrüne hielt ich noch schnell das Bein in einen Supermarkt, und dann musste ich wieder ein Stück bergauf, um die Innenstadt zu erreichen. Bis ich dort war, war es schon gut wärmer geworden, und auch das Hemd war auch vom Fahrtwind schon wieder trocken, so dass ich nach der Pause in kurzen Sachen weiterfahren konnte.
Von der nachgesagten Gastfreundschaft der Iserlohner (siehe "Wissenswertes über Erlangen" von Foyer des Arts) habe ich nicht "genascht", dafür aber von den optischen Gimmicks der Stadt . Und dann überfiel mich auch noch die Naschlaune auf Eis. 70 Cent für 'ne Kugel ließ mich zwar ein wenig schlucken, doch dafür war dann auch reichlich was zu Schlucken auf der Waffel.
Irgendwie hatte ich erwartet, dass es jetzt flach würde. War aber nicht. In Iserlohner Heide ging es noch mal mächtig hoch - dafür war dann aber auch der Ausblick sehr schön. War da hinten etwa schon das immerhin noch 40 Kilometer entfernte Kraftwerk Hamm-Uentrop zu sehen? Weiter gin ges in mehr oder minder sanfen Hügeln hinab und hinauf durch Hennen und Ostendorf , bis ich kurz vor Unna mal wieder einen Abzweig verpasste und auf einer elendig langweiligen Straße landete. Ich glaube, an der verpassten Abfahrt habe ich mich noch über den Wegweiser amüsiert, auf dem nichts weiter stand als "3 km" und das Zeichen für die B 1. Gleich hinter der Stadtgrenze holte ich den Wechsel auf die Parallelstraße nach und gelangte also in die Innenstadt, die ich sehr schön fand .
Am Bronzemodell der Stadt kam ich mit einem Mann ins Gespräch, der als Jugendlicher aelbst verschiedene Radtouren gefahren ist und später beruflich sehr oft in Lingen zu tun hatte. Nachdem er gegangen war, seine Brille vom Optiker zu holen, drielte ich noch ein wenig herum und nahm dann die Reifen wieder untern Arm. Dem ausgeschilderten Weg entlang einer ziemlich befahrenen Straße, die ich aber sowieso benutzen wollte, nach kam ich nach Bönen, folgte weiter den Schildern auf einer von der geplanten nur wenig abweichenden Route und kam schließlich in Hamm an .
Sollte ich hier mal wieder eine übermäßig lange Umsteigezeit haben, werde ich wohl nicht auf dem Bahnhof bleiben, sondern die Zeit in der Stadt vertrödeln und ein bisschen mit den Tieren am Marktbrunnen spielen - das ist einer von der Sorte, wo die Figuren beweglich sind; es scheint dort im Westfälischen ziemlich hipp zu sein, einen solchen zu haben (ebenso wie ein Bronzemodell der Stadt ); denn einen solchen fand ich in vielen Städten.
Auf dem Weiterweg aus Hamm hinaus suchte ich dann noch mal "schnell" ein Stadtschild, und hinter Werries stellte ich fest, dass wenn ich in den Datteln-Hamm-Kanal stiege, um den Tagesdreck abzuwaschen, ich wahrscheinlich nicht wesentlich sauberer herauskäme, weil er doch sehr trüb daherkam. So wollte ich es dann an der Lippe probieren, die ich hinter Uentrop (mit kurzem ü) überqueren würde. Dumm, dass die an der Stelle zu einem Wehr aufgestaut war und demnach das Baden verboten war. Gut, dass ordentliche Wehre auch eine Lachstreppe haben, und noch besser, dass man in die hier einigermaßen bis zu den Knien hineinsteigen konnte. Zumindest, um sich das Wasser über den Körper zu schöpfen, reichte es. Sitzen wäre auch gegangen, da hätte man gleich noch eine nette Massage vom Wasserdruck bekommen. ;-)
Die letzten dutzend Kilometer bis Beckum versuchte ich dann, zwar schnell voranzukommen, aber dabei wenig zu schwitzen. Es blieb bei einem Teilerfolg, denn auch auf kleinen Straßen um Klein-Uentrop bleiben die Beckumer Berge eben Beckumer Berge. Wenigsten ließen sie sich alle ohne abzusitzen bezwingen. Ich kam in Beckum an und folgte meiner geplanten Route und den Roten Radwegen gleichermaßen. Erst mal um das Zentrum herum, bis ich merkte, dass da was nicht stimmte. Da war ich dann aber schon von Südwesten über den Osten im Norden angekommen. Aber ich blieb noch ein bisschen am Rand, um mir einen Schlafplatz zu suchen. Vor der Entscheidung zwischen Schule und Supermarkthintertür ließ ich die Wahl erst noch offen, guckte mich ein bisschen in der Stadt um , aß zu Abend, machte für den Folgetag eine Übernachtung in Herford klar und schließlich meine Zettelwirtschaft. Um elf machte ich mich dann auf zum Schlafplatz, zu dem ich den Schulhof gekürt hatte. Es gab die Möglichkeit, unter einem Vordach zu pennen oder ganz abseits hinter der Aula , was ich angesichts der Sternenklarheit bevorzugte.
6. Etappe 180707, 105 km
Beckum - Wiedenbrück - Gütersloh - Halle (Westfalen) - Bielefeld - Herford
Die Nacht war sehr erholsam. Nur um vier Uhr wurde ich mal vom Motorenlärm einer Rangierlok, die ein Weilchen direkt hinter der Mauer des Schulhofs stand, geweckt. Um sieben schließlich ging dann der Wecker, und um acht machte ich mich dann auf.Bis nach Oelde war mein Weg genau der ausgeschilderte, welcher einerseits recht idyllisch daherkommt, aber andererseits auch recht nahe an der A 2, die mich seit dem Vorabend hinter Uentrop schon begleitet und teils mit Geräusch belästigt hatte und es an diesem Tag auch immer wieder tun würde. Am Ortseingang Oeldes gleich hinter der ersten Querung der Autobahn traf ich dann auf den Vier-Jahreszeiten-Park, in dem aber zumindest bis dort, wo ich wieder heraus fuhr, überall Sommer herrschte. Danach ging es dann erst auf Feldwegen weiter und dann über Landstraßen. Hinter Marburg wechselte ich wieder die Seite, um nicht über Rheda nach Wiedenbrück einzufahren (das Stadtschild, auf dem doch bitte Wiedenbrück stehen sollte und dessen Dasein zwischen der Teilen der Doppelstadt mir nicht sicher genug erschien, Ihr versteht). Hier begrüßte mich im Inneren der Stadt als erstes die Flora Westfalica , ein ehemaliges BuGa-Gelände und jetzt Park, der sich durch ganz Rheda-Wiedenbrück an der Ems (Da isse wieder! Und nicht zum letzten Mal!) entlangzieht und St. Aegidius.
Nur ein paar Meter hinter der Emsbrücke begegneten mir wieder diese lustigen rundlichen Figuren wie der Mann auf dem Dach in Witten oder der Mann mit Hund in Iserlohn. Diesmal eine kleine Gruppe, die "bitte lächeln" forderte . Ob sie jedoch den danebensitzenden Mann mit Laute dazu bringen könnten, sei dahingestellt. Gleich an der nächsten Straße fand "Das große Fressen" statt, und auf dem leider bänkelosen Marktplatz (Auch hier durfte ein Stadtmodell nicht fehlen .) neben Brunnen und Rathaus der "Tanz in den Morgen" . Auf der Suche nach einem Bäcker und einer Bank begegnete ich diesen doch sehr sympathischen Typen überall in der Stadt - hier fand eine mehrwöchige Ausstellung der "Alltagsmenschen", Betonskulpturen von Christel Lechner, statt.
Nach dem zweiten Frühstück auf der Bank an der Brücke zwischen Ems und Emssee brach ich dann wieder auf. Die B 61 umfuhr ich rechterhand. Im Nachhinein fiel mir dann auf, dass ich eigentlich genausogut, wenn nicht noch besser, links herum hätte fahren können, durch die Flora Westfalica bis zum Rhedaer Wasserschloss und dann dem westfälischen Radwanderweg R1 nach. Na ja, hätte, könnte, wollte ... ich fuhr also das Stückchen von Wiedenbrück nach Gütersloh (die sich die Verwaltung des Kreises Gütersloh teilen, nachdem erst eine ganze Zeit lang Wiedenbrück alleine sie inne hatte) über Lintel, kam beim Mahnmal für Zwangsarbeiter in die Innenstadt hinein und freute mich über die Stadtplanausschnitte an Säulen, die hier sehr zahlreich vertreten waren. Auf dem Berliner Platz machte ich ein ganz kleines Nickerchen, mampfte dann noch einen Kochlöffel-Burger, nahm auf dem Weg hinaus den Wasserturm noch mit und stellte mich auf Steigung ein.
Die kam dann auch, stetig, aber langsam. Ein Stückchen aus Gütersloh hinaus fühlte ich mich dann zum ersten Mal von den Nordrhein-Westfälischen Radwanderschildern [kleiner Exkurs] veräppelt. Als letztem Wegweiser mit Ortsangabe war ich einem nach Halle zeigenden nachgefahren. Erst fuhr ich eine ziemlich befahrene Bundesstraße entlang und überquerte sie - dann einem ohne Ortsangabe folgend - schließlich. Es ging ein bisschen nach Westen und dann nach Süden. Wo ich herkam. Und dann weiter und weiter und weiter nach Westen gen Harsewinkel, wo ich überhaupt gar nicht entlang wollte.
Als endlich ein brauchbarer Abzweig nach Norden kam, war ich schon ein ganzes Stück über den westlichen Zipfel der Route hinaus, die ich mir als Alternative zur Bundesstraße herausgesucht hatte. So schlug ich mich dann zwischen kleinen Einzelgehöften durch, und zu allem Überfluss, gerade als ich wieder ein Stück auf der eigentlich ausgesuchten Route unterwegs war, fing es an zu tröpfeln. Glücklicherweise konnte ich das nächste Haus noch erreichen, bevor aus dem Getröpfel ein Landregen wurde. Das Carport dieses Hauses war praktischerweise auch noch zur richtigen, sprich windabgewandten Seite hin offen.
Bis ich mir überlegt hatte, ob ich jetzt was zum Schreiben raushole oder einfach nur so abwarte, war der Schauer auch schon wieder vorbei. Kurz, aber ergiebig. Ich kam bald wieder auf eine größere Straße, misstraute dem nächsten Seitenweg noch mal, nahm den übernächsten (und damit weitere zwei Kilometer Umweg in Kauf), gelangte wiederum auf eine "richtige" Straße und schließlich in die Stadthalle Westfalen ... äh ... Pardon für den Kalauer ... Stadt Halle (Westfalen). Fand ich jetzt nicht sooo spannend, ganz hübsch zwar die Innenstadt, der Ronchinplatz mit dem Haller Willem oder auch das Kiskerhaus (ursprünglich Brauerei, jetzt VHS), aber der Neue Markt ... da war mir der Stromfür die Kamera zu schade, auch wenn man den Mangel an Schönheit hier eigentlich hätte dokumentieren müssen. Außerdem ganz schlimm ist der Verkehr auf der B 68, die quer durch den ganzen Ort führt. Das Bild vom Kiskerhaus hat schon ein bisschen Zeit in Anspruch genommen, um eine Lücke im Verkehr beider Richtungen abzuwarten. Ich bin ja sonst kein sonderlicher Freund von Autobahn-Neubauten, aber die A 33 von Bielefeld nach Osnabrück sollte hier schleunigst fertiggebaut werden, zumal sie die Umgehungsstraße für sämtliche Orte auf dreißig Kilometer darstellen wird.
Hinter Halle erwartete mich zum zweiten Mal der Teutoburger Wald, diesmal mit dem Teilstück Osning. Ich hatte gedacht, jetzt käme wunderweißwas für ein Anstieg, aber den hatte ich offensichtlich peu-à-peu schon von Gütersloh her gemacht. Nur ein kurzes Stück noch, dann ging es für 61 Stundenkilometer hinab. Jedoch nicht ohne vorher noch mal einen Blick zurück ins flachere Land geworfen und, als es nicht steil abging, diesen Gesellen , den sich ein Steinmetz an seine Einfahrt gestellt hat, zu knipsen.
Dann kam Werther, und da wäre ich doch besser beraten gewesen, über die Käffer zu fahren statt über die Hauptstraße. Diese war nämlich erstens recht stark befahren und ging zweitens noch mal den Hang hoch, der südlich an die Käffer anschließt. Fast hätte ich jetzt geschrieben, dass ich dann bald nach Bielefeld gekommen sei. Aber Bielefeld gibt's ja gar nicht.
Im Nordosten verließ ich die Stadt, die es nicht gibt, über ihren angeblichen Stadtteil Heepen, um dann ohne große Umwege weiterzufahren nach Herford. Dort machte ich eine kleine Fotorunde und begab mich dann zu Anita, ehemalige Arbeitskollegin meiner Mutter und Freundin der Familie, weil bei ihr leckre Nudeln Bolognese auf mich warteten. Mit dem Essen warteten wir allerdings denn doch noch auf ihren Mann, alldieweil duschte ich schnell. Nach dem Essen gingen wir noch ein bisschen spazieren, dann auf ein Eis und noch auf ein Bierchen. Wieder zu Hause ging Anita bald zu Bett, ich zeigte Hans-Joachim noch die Fotos von dieser Woche und verkrümelte mich dann auch allmählich.
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